Ästhetik, Journalismus und andere Forschungsmethoden

Geographische Träume – und Forschung dazu

Ich träume oft von Orten.
Die Handlungen verblassen in der Erinnerung. Die Orte dagegen bleiben jahrelang im Gedächtnis, und von manchen Orten und Gegenden träume ich immer wieder, unabhängig davon, ob ich schon mal dort war oder nicht. Umso mehr hat mich überrascht zu erfahren, dass es auch Forschungen zu diesem Phänomen gibt. 

Surreale Landschaften

Abgesehen davon, dass ich mich an die geträumten Orte noch nach Jahren erinnere, weisen sie noch weitere Merkmale auf: Während manche Orte mir aus der Realität wohlvertraut sind, bin ich an anderen noch nie gewesen, und manche dieser Landschaften und Gegenden sind surreal: Oft vermischen sie auch kartographische Informationen: Die Landschaften wirken wie eine Kombination aus Boden- und Vorgelperspektive. Ich träume etwa eine Landschaft in den USA in den Grenzen zwischen Ost- und Westküste – eine Perspektive, die man natürlich in Wirklichkeit nie hat.  Die Erde ist in diesen Träumen also oft überschaubar, die Landschaften, wie auf einer touristischen Landkarte, stark stilisiert . Sie sehen in den Träumen aus wie Mental maps, wenn man sie fotografieren würde. Die Träume kehren somit den Wahrnehmungsprozess um: Sie behandeln die Mental maps – die Repräsentation von Räumen im Kopf – als reale, surreale Landschaften.

Typisch Geograph?

Ich weiß nicht, wann das angefangen hat. Aufgefallen ist es mir das erste Mal ungefähr vor zehn Jahren. Mein Geographiestudium liegt schon lange zurück, seit 23 Jahren arbeite ich als Journalist. Doch die Träume sind geographisch geblieben. So wie ich auch sonst eine Affinität für Landschaften und Karten behalten habe.

Forschung zu geographischen Träumen

Ich hätte nicht gedacht, dass es zu diesem Phänomen Forschung gibt. Doch mindestens einen Artikel gibt es. Die Traumforscher Louis Marrou und Isabelle Arnulf haben das Traumtagebuch eines Geographen ausgewertet. (Danke an Prof. Michael Schredl für den Hinweis). In ihrer Auswertung untersuchen sie vor allem den Zusammenhang zwischen den geträumten und tatsächlichen Aufenthaltsorten. Allerdings lässt sich daraus nicht ableiten, ob solche Träume „typisch Geograph“ sind oder ob sie sonst eine besondere Bedeutung haben könnten.

Verbindung zum mentalen Navigationssystem?

Immerhin deuten Marrou/Arnulf einen möglichen Zusammenhang zum mentalen Orientierungssystem im Hippocampus an, also zu der Art, wie wir uns danke Orts-, Gitter- und anderen Zellen in realen Räumen zurecht finden. Sie gehen diesem Hinweis nicht näher nach, legen aber zumindest eine interessante Spur. Jüngere Forschungen legen nahe, dass uns die gleichen Hirnareale, die unsere räumliche Orientung steuern, uns auch sonst helfen, die Welt sinnvoll zu strukturieren.

Haben also geographische Träume eine besondere Funktion für Lern- und Gedächtnisvorgängen, die mit Träumen immer wieder in Verbindung gebracht werden? Dieser Frage traum- und kognitionswissenschaftlich nachzugehen, könnte sich vielleicht lohnen.

Habt ihr fachspezifische Träume?

Was mich zunächst interessieren würde: Haben Biologen, Historikerinnen, Chemiker, Physikerinnen, Mathematikerinnen , Psychologen, Soziologen, Architektinnen oder gar Philosophinnen ähnlich fachlich gefärbte Träume? Über Kommentare freue ich mich.

2 Kommentare

  1. Gertraut. Rolshausen

    Ich träume von UFOs.Grosseleuchtende. Scheiben.An zwei verschiedenen Orten am Himmel Himmel. Über unserem Dorf. Die Scheiben sind riesengross und senden Lichtblitze aus.

  2. barbara weber

    Guten Tag, danke für die spannende Frage! Ich bin wohl etwas spät damit und vielleicht sieht gar niemand mehr diesen Kommentar. Aber ich versuche es trotzdem, da ich mich (privat) sehr mit Landschaften in Träumen beschäftige. Mir ist aufgefallen, dass ich schon mein Leben lang immer wieder von den gleichen Landschaften träume, in denen ich aber nie war. Vor kurzem bin ich dazu einen grossen Schritt weitergekommen und habe nun die Hypothese, dass Landschaften in sehr frühem Alter einen prägenden Eindruck hinterlassen (weil es das erste, sehr beeindruckende, Mal ist, eine bestimmte Landschaft zu erleben), als bewusste Erinnerung aber nicht im Gedächtnis bleiben. In den späteren Träumen werden diese ˋUr-Landschaftenˋ dann mit den aktuellen Tages-Geschehen verknüpft.
    Ich bin auf diese Erklärung gekommen, weil ich ein eindrückliches Erlebnis hatte: Ich bin mit der Seilbahn auf einen Berg gefahren, auf dem ich noch nie war. Von da aus habe ich in ein Tal gesehen, von dem ich sofort gewusst habe: Das ist eine dieser Landschaften, von denen ich schon mein Leben lang träume – und zwar immer sehr wilde abenteuerliche Träume. Ich war aber noch nie dort. Bis ich dann herausgefunden habe, DASS ich offenbar als kleines Kind dort war. Ich habe nämlich meine Eltern angerufen und von diesem Tal erzählt. Da haben sie gesagt, wir seien als Familie dort auf eine zweitägige Wanderung gegangen und mein Vater habe mir die ganze Odyssee erzählt, um mich bei Laune zu halten. Mir fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen, woher diese Landschaft und die Verbindung zu den unglaublichen zu meisternden Abenteuern kam, die in meinen Träumen immer erscheint, wenn ich etwas Schwieriges zu bewältigen habe.
    Das gleiche wird sich mit den anderen Landschaften, Häusern, Zimmern, Wettern, etc. so verhalten.
    Mit freundlichen Grüssen in die virtuelle Landschaft 😉

    (PS weil nach Disziplinen gefragt wird: ich bin Musikerin. Und beim Hören von Musik kommen übrigens ähnliche Landschaften)

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