Suchen wir die Einheit
oder den Kontrast?
Weiche Bögen, gerade Linien, feine Tupfer, Patina.
Es gibt viele gute Gründe
was warum zusammen passt.
Wann sind Striche virtuos?
Wann einfältig und blöd?
Wann wirkt Verspieltes lächerlich?
Wann Farbiges zu bunt?
Wann wird Klassisches gefällig?
Wann Schlichtes fad und öd?
Wann werden Stile stereotyp?
Wann Stabreime zu stumpf?
Zum einen lockt die Ordnung
unsere Ideen von Natur
unser Sinn für Symmetrie, fürs Angemessene und Klare
die Liebe zum Kontinuum
die Sehnsucht nach Struktur.
Wann werden Duftmarken zu aufdringlich?
Wann sind Symbole Kitsch?
Wann wird Vielfalt zu beliebig
Wann Reinheit zu steril?
Wann wirkt Leichtigkeit noch frisch?
Wann wird sie zu seicht?
Wann ist Strenge angezeigt
und wann schränkt sie uns ein?
Es gibt das Fremde im Vertrauten
in das man gerne projiziert
das Ahnen einer Spiegelung, und sei sie noch so schummrig
das Gefühl des Echten
und sei es inszeniert.
Wann ist Kleines wirklich schön?
Wann kraft-, belang- und harmlos?
Wann ist Großes aufgebläht
und wann wirklich erhaben?
Wann ist Spannendes zu aufgeregt?
Wann sind Akzente plump?
Wann dürfen Übergänge fließen
und wann brauchen sie den Bruch?
Auch schöpferische Zierden
haben ihren Sinn.
Gierig auf das Kuriose und auf neue Ansichtsarten
kann uns auch Schrilles überzeugen
sehen wir selbst Elend mit Gewinn.
Wann führt Originelles weiter?
Wann ist es zu bemüht?
Wann sind Mischungen befruchtend?
Wann nicht Fisch noch Fleisch?
Wann ist Kürze würzig?
Wann allzu verhuscht?
Wann Improvisiertes
pfiffig, wann gepfuscht?
Sicherer werden wir
im Sichten, Gewichten
im Scheiden des Schönen vom schnöden Schein
im Bewandern von Graten,
im Klotzen und im Verzichten.
Wann ist Wüste wunderbar?
Wann Dunkelheit gemütlich?
Wann sind Strapazen lustvoll?
Wann riecht Diesel gut?
Wann ist Perfektion vollkommen?
Wann ist sie penibel?
Wann klirrt Kälte malerisch
Wann ist Stille Gold?
Der pure menschliche Instinkt
das Erbe unserer Art
erklärt davon so gut wie nichts, weder Kunst noch Stil.
Schwachsinn würde niemals Kult
und Bitteres nie zart.
Gabor Paal, Lyrik ist Logik, 2008